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Die Folgen des Urteils "Seeling" - Vorsteuerabzug bei Liegenschaften
Mit seiner Entscheidung vom 8. Mai 2003 hat der EuGH die unechte Steuerbefreiung für den Verwendungseigenverbrauch von Gebäuden für richtlinienwidrig erklärt. Ursprünglich hätte als Reaktion auf dieses Urteil die Novelle zum UStG bereits mit dem AbgÄG 2003 beschlossen werden sollen, doch die geplanten Änderungen wurden überraschenderweise vor Beschlussfassung aus dem Gesetzestext herausgenommen.
Am 3. Dezember 2003 hat der Nationalrat nunmehr endgültig die Novelle zum UStG beschlossen und es kam für den Unternehmer als Bauherren besser als erwartet:
- Der Nutzungseigenverbrauch von Liegenschaften ist entsprechend der Ansicht des EuGH in Zukunft steuerpflichtig (mit dem Normalsteuersatz),
- die Entnahme von Liegenschaften ist weiterhin unecht steuerbefreit und
- der Vorsteuerberichtigungszeitraum wurde entgegen den Erwartungen nicht ausgedehnt.
Als unmittelbare Folge können die im Rahmen der Errichtung bzw. Anschaffung eines auch nur zum Teil unternehmerisch genutzten Gebäudes in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge zur Gänze als Vorsteuer abgezogen werden. In weiterer Folge hat der Unternehmer die private Verwendung im Ausmaß der jeweiligen Nutzung als Eigenverbrauch zu besteuern. Nach derzeit geltender Rechtslage kann die Liegenschaft nach 10 Jahren ohne Vorsteuerkürzung entnommen und in das Privatvermögen übergeführt werden.
Ein Rechenbeispiel mit vereinfachenden Annahmen soll den Vorteil für den Steuerpflichtigen darstellen:
Ein Unternehmer errichtet ein Gebäude, das er zu 10% für unternehmerische Zwecke nutzt. Von den Herstellungskosten iHv € 360.000 brutto macht er die geleistete Umsatzsteuer iHv € 60.000 geltend, die er auf ein mit 2% verzinstes Konto legt. Nach Ablauf des Vorsteuerberichtigungszeitraumes wird das Gebäude steuerfrei in das Privatvermögen übergeführt.
Vereinfachend wurde unterstellt, dass Vorsteuern und Zinsen jeweils am Jahresende abgeführt bzw. gutgeschrieben werden. Der Barwert des am Ende des Vorsteuerberichtigungszeitraumes verbleibenden Kapitals entspricht r.d. € 48.000, d.s. rd. 80 % des ursprünglichen Vorsteuerbetrages und steht dem Unternehmer dauerhaft zur Verfügung.
Das Urteil ist auch auf Körperschaften öffentlichen Rechts anwendbar, da irrelevant ist, ob es sich um einen Eigenverbrauch zu Wohn- oder anderen Zwecken handelt.
Um den Vorsteuerabzug geltend machen zu können, ist Voraussetzung, dass das Gebäude dem unternehmerischen Bereich zugeordnet ist (vor dem 1. Jänner 2000 musste dies schriftlich gegenüber dem Finanzamt erklärt werden).
Darüber hinaus gilt folgendes:
- Für nicht rechtskräftig veranlagte Perioden kann der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht sowie die zeitanteilige Besteuerung des Eigenverbrauchs durchgeführt werden. Dies betrifft auch Fälle, die von Amts wegen wieder aufgenommen wurden, beispielsweise im Zuge einer Betriebsprüfung.
- In rechtskräftig veranlagten Zeiträumen kann bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (5 Jahre) ein Antrag auf Aufhebung gemäß den §§ 299 und 302 BAO gestellt werden.
Zu einer kuriosen Konstellation kommt es, wenn die unternehmerische Tätigkeit, die den Vorsteuerabzug für den privaten Teil erst ermöglicht, steuerbefreit ist (z.B. Ärzte, Physiotherapeuten, etc.). Dann steht nur für den privat genutzten Anteil der Vorsteuerabzug zu.
Es bleibt abzuwarten inwieweit der Gesetzgeber in Zukunft nicht doch noch die Attraktivität dieser Lösung, beispielsweise durch Verlängerung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes, einschränken wird. Für Spannung im Umsatzsteuerrecht ist auch weiterhin gesorgt. In der Sache Hundt-Eßwein geht es um den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit einem Arbeitszimmer. Die Entscheidung des EuGH wird demnächst erwartet.
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